(2) Ungeklärte “Sachverhalte / Wissenslücken” zum Schutzgut Tiere
Möchten Sie wissen was das Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg zum „Schutzgut Tiere“ im Planfeststellungsbeschluss – Deponie Haaßel schreibt?
2.2 Schutzgut Tiere
a) Methode
Kartierung der Tierartengruppen Vögel, Amphibien, Fledermäusen, Heuschrecken,Tagfaltern und Widderchen an 8 mehrtägigen Terminen im Zeitraum von März bis August 2010 sowie eine Einschätzung des Untersuchungsraumes im Rahmen von Zufallsbeobachtungen hinsichtlich des Vorkommens von Libellen. Quantitative Bewertungsverfahren für Fledermäuse wurden angewandt, da keine Horchkisten etc. eingesetzt wurden. Die Angaben zur Häufigkeit und Regelmäßigkeit der Nachweise (Einzeltiere, mehrere Tiere gleichzeitig) basieren daher auf der Ein schätzung des Gutachters. Die Auswertung der vogelkundlichen Daten erfolgte nach SÜDBECK (2005). Die übrigen Arten wurden nach der Roten Liste Niedersachsen und dem fünfstufige Bewertungssystem des Niedersächsischen Landesamtes für Ökologie (NLÖ, jetzt NLWKN) für Tier- und Pflanzenartenvorkommen in der Landschaftsrahmenplanung in Verbindung mit dem jeweiligen artspezifischen Bewertungssystem eingeordnet.
2013 erfolgte eine gezielte Revierkartierung des Großen Brachvogels an 3 Terminen im April auf der geplanten Deponiefläche sowie dem nördlich angrenzenden Grünlandflächen. Im März 2014 erfolgte eine gemeinsame Begehung mit der Bürgerinitiative, demGutachter, der Unteren Naturschutzbehörde sowie dem NLWKN als Fachbehördezur Überprüfung des Brachvogelvorkommens und zur Einschätzung der Bedeutung des Untersuchungsgebietes für die Population des Brachvogels.
Im Mai 2014 erfolgte eine erneute gemeinsame Begehung Einordnung bestimmter strittiger Biotoptypen auf Grundlage des Kartierschlüssels für Biotoptypen in Niedersachsen (2011)
b)Derzeitiger Umweltzustand
Im Untersuchungsraum wurden 22 Brutvogelarten erfasst, die gefährdet und/oder charakteristisch für die vorhandenen Biotopstrukturen sind In den Hecken und an den Waldrändern auf dem geplanten Deponiestandort bzw. an dessen Randbereich wurden 2 Brutreviere des landesweit gefährdeten Neuntöters (Lanius collurio) und 6 Brutreviere des Baumpiepers (Anthus travialis) festgestellt. Weiterhin konnten das Vorkommen weiterer gefährdeter und geschützter Arten von Kuckuck, Feldlerche, Wachtelkönig, Schwarzstorch und Wespenbussard im Untersuchungsgebiet festgestellt werden.
Der überwiegende Bereich des Untersuchungsraumes ist nach dem Bewer Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg Bewertungsverfahren von WILMS et al. (1997) als Brutvogelgebiet regionaler Bedeutung einzustufen. Der stark gefährdete und noch 2010 erfasste und 2012 beobachtete Große Brachvogel konnte 2013 und 2014 nicht mehr nachgewiesen werden. Kausal dafür dürfte die in der Zwischenzeit durch Umbruch und Dränierung von Grünland erfolgte Intensivierung der landwirtschaftlichen Flächen auf großen Flächen sein. Im Rahmen der Amphibien-Untersuchung wurden keine gefährdeten oder gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 14 streng geschützten Arten mit Ausnahme des auf der Vorwarnliste stehenden Grasfroschs (Einzelexemplar) erfasst. Nach den Einzelfunden und der Untersuchung von potentiellen Laichgewässern zu urteilen scheint das UG derzeit keine besondere Bedeutung als Lebensraum für Amphibien zu haben.
Auf dem geplanten Deponiestandort und den angrenzenden Waldflächen konnten Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus), Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus), Große oder Kleine Bartfledermaus (Myotis brandtii oder mystacinus) und Großer Abendsegler (Nyctalus noctalus) nachgewiesen werden, die den Untersuchungsraum als Jagdgebiet nutzen und ist nach gutachterlichen Einschätzung von lokaler Bedeutung für die Fledermausarten.
Insgesamt wurden auf den Flächen im Untersuchungsgebiet 20 Tagfalterarten mit einer geringen Individuenzahl festgestellt. Von diesen Arten stehen der Braune Feuerfalter (Lycaena tityrus) und der C-Falter (Polygonia c-album) in Niedersachsen auf der Vorwarnliste. Gefährdete Tagfalterarten wurden nicht nachgewiesen. Eine artenschutzrechtliche Relevanz ist nicht gegeben. Im Hinblick auf Hymnopteren gibt es ein Hinweis auf das Vorkommen der Grauen Sandbiene (Adrena cineria) im Bereich der geplanten Zufahrtsstraße. Diese Art ist sehr verbreitet und weder in Niedersachsen noch in Deutschland nach der Roten Liste gefährdet.
Folgende Libellenarten wurden im Gebiet durch Zufallsbeobachtungen nachgewiesen: Glänzende Binsenjungfer (Lestes dryas, Südliche Binsenjungfer (Lestes barbarus), Blutrote Heidelibelle (Sympetrum sanguineum), Herbst-Mosaikjungfer (Aeshna mixta).
Im Untersuchungsgebiet wurden 13 Heuschreckenarten vorgefunden, von denen fünf Arten auf der Roten Liste als gefährdet bzw. stark gefährdet eingestuft werden. Die Sumpfschrecke (Stethophyma grossum), die regional und landesweit gefährdet ist (GREIN 2005), hat ihren Lebensraum in den Feucht- und Nasswiesen im nördlichen Bereich des Untersuchungsraumes (vgl. Anlage 3.2.2). Unter anderem besiedelt sie eine Grünlandfläche im Bereich des geplanten Deponiekörpers. Die betreffenden Flächen haben eine mittlere Bedeutung.
Der Waldrand und die Aufforstungsfläche im Bereich des geplanten Deponiestandortes stellen ein bedeutendes Jagdgebiet vo n 4 Fledermausarten dar. Der überwiegende Bereich des Untersuchungsraumes ist nach dem Bewertungsverfahren von WILMS et al. (1997) als Brutvogelgebiet (landesweiter /regionaler Bedeutung einzustufen. Wertbestimmend sind die Brutreviere von Kiebitz und im Zeitraum bis 2010 auch für Großen Brachvogel.
Die intensive Landwirtschaft (Grünlandumbruch, Entwässerung, Pestizid- und Nährstoffeinträge) stellt den wichtigsten flächendeckenden Hauptbelastungsfaktor für das Schutzgut Tiere im Untersuchungsgebiet dar.
c) Umweltauswirkungen
- Bau-, anlage- und betriebsbedingte bedingter Verlust von Tierlebensräumen und – vorkommen auf dem Deponiegelände, insbesondere für die gefährdete Brutvogelart Neuntöter und Feldlerche.
- Bau- und anlagebedingte Verringerung um eines bis 2010 nachgewiesenen rd. 20 ha große brutrevierbezogenen Habitats (Funktion als Brut- und Nahrungsraum) des stark gefährdeten Großen Brachvogels.
- Gefahr des anlagebedingtes Verlust von 3 Habitatbäumen für Fledermäuse,
- Anlagebedingte Verringerung des Jagdgebietes von Fledermäusen,
- Anlagebedingter Verlust von rd. 0,28 ha Lebensraum mittlerer Bedeutung der gefährdeten Sumpfschrecke
- Baubedingte Störungen empfindlicher Tierarten (optische und akustische Reize) bis hin zu Individuenverlusten durch den Bau der Infrastrukturanlagen (Deponiestraßen, Betriebsgebäude, Stellplätze, Beleuchtungsanlagen u.a.) und die Herstellung der Deponiefläche
- Betriebsbedingte Verluste nachaktiver Insekten (optische Reize) durch Beleuchtungsanlagen
d) Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen
- Betriebliche Überwachung gem. Anh. 5 der DepV
- Einsatz von Baumaschinen, -geräten und -fahrzeugen, die den einschlägigen technischen Vorschriften und Verordnungen entsprechen (TA Lärm)
- Keine Veränderungen der Gewässerlebensgemeinschaften durch Entsorgung des sanitären Schmutzwassers und des gesammelten gesondert zu behandelnden Sickerwassers durch Abfuhr.
- Keine Gefährdung für größere Säugetiere (Schwarz- und Rehwild), da das gesamte Deponiegelände wird mit einem ca. 1.300 m langen, ca. 2,00 m hohen Maschendrahtzaun sowie einem Überkletterschutz gesichert. Die Zaunanlage umschließt sämtliche deponie technischen Einrichtungen. Im Bereich der Zu- und Ausfahrt zum Deponiegelände wird eine Toranlage vorgesehen, die mit Betriebsschluss geschlossen wird. Aus Gründen der Vermeidung sind folgende Bereiche abweichend von den eingereichten Lageplänen nicht durch den Betriebszaun von der freien Landschaft abzuschneiden: der Verlauf der Reenwasserableitung zur Vorflut (Fläche der ehemaligen Aufforstung), das naturnah gestaltete Regenrückhaltebecken, die neugepflanzten Wallhecken (Maßnahme A7), die vorhandene Hecke an der Ostgrenze des Betriebsgeländes
- Durchführung aller erforderlichen Messungen und Kontrollen gemäß Anhang 5, Nr. 3.2 der DepV in der Nachsorgephase nach Stilllegung der Deponie
- Vermeidung von baubedingten Störungen während der Brut- und Rastzeit durch differenzierte bauzeitliche Beschränkungen aus Gründen des Artenschutzes
- Erhaltung der Hecke östlich des Deponiegeländes als Lebensraum
- Verlagerung des Regenrückhaltebeckens nach Norden um Eingriffe in das südliche Sumpfschreckenhabitat vermeiden
- Der Heuschreckenlebensraum im unmittelbaren Bereich der geplanten Deponie ist einzuzäunen, um unwissentliches Befahren zu verhindern
- Randlich am Deponiegelände angrenzend ökologisch sensible Flächen (Waldrändern) sind bei der Beleuchtung weitgehend auszusparen
- Zum Schutz nachaktiver Insekten sind in geringer Höhe Natriumdampf Hochdrucklampen oder LED-Lampen ohne Ultraviolett- und Blauanteil und einem eng begrenzten Abstrahlwinkel zu verwenden, deren Leuchtkegel sich nur auf den Boden richtet und mit Abschirmungen und Blendschutzvorrichtungen zu versehen sind. Es ist ein niedriges Beleuchtungsniveau vorzusehen
- Ab 19.00 Uhr Beleuchtung durch Koppelung mit Bewegungsmeldern Leuchtengehäuse sind gegen das Eindringen von Spinnen und Insekten abzudichten
- Zum Schutz der Brutvögel sind störungsintensive Baumaßnahmen wie Baufeldfreimachung, Rodung bzw. Versetzung der Wallhecke und der Waldbereiche sowie die Durchführung der Rekultivierungsmaßnahmen in der vegetationsfreien Zeit vom 01.10. bis 28.02 durchzuführen. Die Ausgleichs- und Profilierungsschicht ist in einem Arbeitsgang aufzubringen und mit einer Dichtungsbahn zu belegen.
- Zum Schutz der Fledermäuse sind im Zeitraum von Dezember bis Februar Wintersquartierkontrollen durchzuführen sowie im Zeitraum von Mai bis August zu überprüfen ob es Hinweise auf Sommerquartiere gibt. Störungsintensive Baumaßnahmen wie die Rodung bzw. Umsetzung der Wallhecke mit den potentiellen Höhlenbaumen sind außerhalb der Wintersruhephase durchzuführen
- Bau der Ringstraße im Vor-Kopf-Verfahren im Bereich des Waldes im südlichen Bereich und im Bereich des Grünlands westlich der Deponiefläche, zum Schutz des Lebensraum der gefährdete Sumpfschrecke
- kein umlaufender Unterhaltungsweg um das Rückhaltebecken, nur Zufahrten, sofern erforderlich
- Keine Sohl- bzw. Grundräumung unterhalb der Einleitstelle des Oberflächenwassers; ggf.Erweiterung der Kapazität des Regenrückhaltebeckens und Begrenzung der Einleitmenge auf max. 5 l/sec
e) Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
- Entwicklung von artenreichem Extensivgrünland auf Ackerstandorten westlich der Deponie als Heuschreckenlebensraum und für die Feldlerche als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme (CEF-Maßnahme) spätestens mit Beginn der Baumaßnahme i.V.m. der Umsiedlung der betroffenen Population der Sumpfschrecke
- Entwicklung von artenreichen Laubwaldbeständen mit Waldrandgestaltung südlich der Deponie auf ca. 3 ha mit standortheimischen Arten
- Installation von Fledermauskästen und Spaltenquartieren als Sommerquartier und als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme (CEF-Maßnahme) rechtzeitig vor Beginn der Baumaßnahme in Abstimmung der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde. In Abhängigkeit von der Art der tatsächlich betroffenen Quartiere sind die zu schaffenden Ersatzquartiere artspezifisch in einer Höhe von 3-5 m im ff. Verhältnis herzustellen:
- – 1:1 für Tagesverstecke
- – 1:2 für Balzquartiere
- – 1:5 für Winterquartiere
- – 1:5 für Wochenstuben in Gehölzen
- Sofern möglich sind Kunsthöhlen in geeignete Bäume zu bohren. Die Ersatzquartiere sind nach Möglichkeit außerhalb des unmittelbaren Wirkraumes Deponie aber im Bereich des Lebensraumes der lokalen Population anzubringen. Im Maßnahmenplan sind keine speziellen Suchräume für das Anbringen von Ersatzquartieren dargestellt. Als Suchraum sind vornehmlich Altholzbereiche im nördlichen Untersuchungsraum zu wählen. Sofern sich diese Suchräume aufgrund neuer Erkenntnisseals nicht ausreichend herausstellen sollten, sind geeignete Flächen zu ergänzen. Zudem ist auf einen ungehinderten, freien Anflug zu achten. Weitere Anforderungen an die Anbringung der Ersatzquartiere sind artabhängig von geeignetem Fachpersonal festzulegen und in einem landschaftspflegerischen Ausführungsplan darzustellen. Bäume mit Ersatzquartieren sind dauerhaft aus der Nutzung zu nehmen
- Grünlandextensivierung auf 29,8 ha im und um das Naturschutzgebiet„Großes Everstorfer Moor“ (NSG LÜ 136) zur Aufwertung des vorhandenen Brachvogellebensraums und Brutvogelschutz des Brachvogels
- Auf 570 m Neuanlage einer Wallhecke mit typischen Saumstrukturen im nördlichen und südlichen Bereich des Deponiegeländes durch Umsetzung der zu beseitigendenWallhecke als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme (CEF-Maßnahme) spätestens mit Beginn der Baumaßnahme
- Festsetzung einer Sicherheitsleistung nach § 17 Abs. 5 BNatSchG fürdie Kompensationsmaßnahmen
f) ungeklärte Sachverhalte / Wissenslücken
- Es bestehen Unsicherheiten im Hinblick auf die repräsentative Auswahl von Probeflächen für Heuschrecken und Tagfalter
- Die Bezeichnungen bzw. Beschreibung der Probeflächen stimmt nicht mitden erfassten Biotoptypen überein (vgl. auch Untersuchungsfläche HT 5)
- Unklarheit hinsichtlich der Schutzvorkehrungen und Kompensationsmaßnahmenfür die potentiellen Habitatbäume von Fledermäusen und Höhlenbrütern und des Umfangs der Unterhaltung der Nistkästen bzw. Fledermauskästen
- Fehlende quantitative Angaben zu den Auswirkungsbereichen von Lärm auf lärmempfindliche Vogelarten.
- Es fehlen Angaben zu nachtaktiven Insekten, vor allem zur Nachtfalterfauna
- Fehlende Aussagen im Hinblick auf die Aufwertungsmöglichkeiten von Flächen für Wiesenvögel (Brachvogel) in benachbart avifaunistisch bedeutsamen Raum 2621.2./2 aus 2006
- Fehlende Aussagen zur dauerhaften Sicherung der Kompensationsmaßnahmen
- Fehlende Kostenschätzung der Kompensationsmaßnahmen (incl. Ansatz für Dauerpflege)
Veröffentlicht: 8. Februar 2015
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