Fragen 16. Juni 2011 (6)

6. Wie kann der Große Brachvogel (Offenlandvogel) durch den Bau einer 30 Meter hohen Bauschuttdeponie profitieren (Aussage des Vertreters des Landkreises am 03.05.2011 in Selsingen)?

Antw.: Als Brutvogel kommt der Große Brachvogel im geplanten Deponiebereich nicht vor. Die vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen auf den nördlich dieses Gebietes sich anschließenden Grünlandflächen sind aber geeignet und darauf auch ausgerichtet, den Brutlebensraum des Brachvogels durch eine extensive Grünlandnutzung zu verbessern.

 

Die Bürgerinitiative:

Die fachliche Inkorrektheit dieser Aussage wird durch die folgenden Zitate aus der Anlage 3.1 Anhang 2 der Planfeststellungsunterlagen (Bestandaufnahme und Bewertung ausgewähler Tierartengruppen (UVS)) deutlich:

 

„Im Rahmen der avifaunistischen Kartierung wurden im Untersuchungsgebiet im Jahr 2010 70 Vogelarten festgestellt.“ (Zitat Punkt 3.1, S. 31) „ Damit zeigt sich das UG als ein insgesamt sehr strukturreiches und vielgestaltiges Gebiet. Bei 54 Arten besteht Brutverdacht. Sie werden als Brutvogelarten des Untersuchungsgebietes angesehen. Insgesamt wurden 13 Arten der landesweiten niedersächsischen Roten Liste registriert. Sechs Arten aus dieser Gruppe (Großer Brachvogel Gefährdungskategorie Nds. 2, Kiebitz GF Nds. 3, Kuckuck GF Nds. 3, Kleinspecht GF Nds. 3, Neuntöter GF Nds. 3 und Gartenrotschwanz GF Nds. 3) sind Brutvögel im Untersuchungsgebiet. Der Große Brachvogel ist sogar bundesweit vom Aussterben bedroht (GF D 1).“ (Zitat Punkt 3.1.1, S. 33)

Die Bewertung der Bestandsaufnahme (Punkt 4, S. 52 ff) kommt zu dem Schluss, dass es sich beim Untersuchungsgebiet um ein Brutvogelgebiet von regionaler Bedeutung mit sehr hoher Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz handelt.

Die UVS betrachtet die Baumaßnahme als erhebliche Beeinträchtigung (Konflikt 8) eines Brutpaares des Großen Brachvogels (Numeniusarquata). Er wird „durch die Barrierewirkung in seinem Aktionsradius stark eingeschränkt“ (Zitat Anlage 3.1, S. 40), er verliert einen Teil seines Nahrungshabitates und sein Bruterfolg kann durch häufige und massive Störungen erheblich beeinträchtigt werden (Anlage 3.1, S. 51).

 

Die Art ist durch die EU-Vogelschutzrichtlinie, Art. 4, Abs. 2 besonders geschützt. Im Landkreis Rotenburg (Wümme) ist sie als hoch gefährdet eingestuft (Landschaftsrahmenplan, LK Rotenburg (Wümme) 2003). Sie ist geschützt nach BArtSchV, streng geschützt nach § 10 BNatSchG. Die Vollzugshinweise zum Schutz von Brutvogelarten in Niedersachsen (NLWKN 2009) geben für sie die höchste Priorität für Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen vor. Der Große Brachvogel ist sehr standorttreu und benötigt störungsarme Bruthabite und Schlafplätze. Er ist hoch empfindlich gegenüber Sichthindernissen in Nähe seiner Brut- und Nahrungshabitate. Eine Grünlandextensivierung zur Wiederherstellung oder Verbesserung seines Habitates würde daher aufgrund der Sichtbehinderung und Geräuschentwicklung bei einer Deponieerrichtung nicht zum Erhalt des Brutpaares führen können.

 

An dieser Stelle ist noch hinzuzufügen, dass sich die für die als Ausgleichsmaßnahmen vorgesehenen Grünland- bzw. Ackerflächen nicht im Eigentum des Antragstellers befinden und er nicht über sie verfügen kann. Es kann somit kein Ausgleich hergestellt werden. Ersatzmaßnahmen (an anderer Stelle oder geldlich) sind in diesem Fall grundsätzlich nicht geeignet, einen Ausgleich zu schaffen.

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