Am 11.September 2011 sind Kommunalwahlen. Bürger des Landkreises und Mitglieder der Bürgerinitiative gegen die geplante Bauschuttdeponie in Haaßel haben Fragen an die Parteien und Gruppen gerichtet, die sich für den Kreistag zur Wahl stellen. Die Antworten der Fraktionen sind nachfolgend dargestellt. Sie wurden wörtlich übernommen.
Es antworteten für Bündnis 90/Die Grünen Reinhard Bussenius und Elke Twesten, für die CDU/FDP-Kreistagsfraktion der Vorsitzende Heinz-Günter Bargfrede, Volker Kullik im Auftrag der SPD-Kreistagsfraktion und Bernd Petersen für die WFB.
Frage 1:
Halten Sie den geplanten Standort in Haaßel für eine Bauschuttdeponie der Klasse 1 für geeignet?
Antwort Bündnis 90 / Die Grünen:
Die Grünen halten den Standort Haaßel für nicht geeignet, da sich die Richtlinien und Bestimmungen (glücklicherweise) geändert und verschärft haben. Der Standort umfasst u.a. Flächen, auf denen Pflanzen der „Roten Liste“ (Anhang 1) wachsen, die absolut schützenswert sind. Außerdem stehen 13 der dort brütenden Vogelarten auf der „Roten Liste“, für die die Flächen als Brutgebiet eine regionale und schützenswerte Bedeutung haben.
Antwort CDU / FDP:
Wenn von der Bauschuttdeponie Gefahren für Menschen, Natur oder Umwelt ausgehen könnten, darf sie an diesem Standort nicht eingerichtet werden. Die Prüfung und Beurteilung dieser Frage obliegt dem Gewerbeaufsichtsamt als Genehmigungsbehörde. Wir werden dafür eintreten, dass alle Bedenken und Argumente gegen diesen Standort, insbesondere die der Bürgerinitiative, in die Stellungnahme des Landkreises aufgenommen werden.
Antwort SPD:
Nein, denn im Vorwege zum Planfeststellungsverfahren sind eine Vielzahl gravierender handwerklicher und inhaltlicher Fehler zum Standort Haaßel gemacht worden. Es fehlte mindestens eine fundierte Bedarfsermittlung, eine aktuelle alternative Standortsuche sowie eine ordentliche Ausschreibung. Die Firma Kriete hat den Landkreis über die erweiterten Planungsabsichten nicht informiert. Eine konzeptionelle Herangehensweise und die frühzeitige Gremien- und Öffentlichkeitsbeteiligung sind unterblieben und hätten voraussichtlich zu einem ganz anderen Ergebnis geführt. Dies gilt insbesondere für den Verkauf der landkreiseigenen Flächen und die Aushebelung des Vorranggebietes für Natur und Landschaft durch das Zielabweichungsverfahren.
Antwort WFB:
Ich halte den Standort für ungeeignet. Dafür sprechen zwei Gründe:
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Es handelt sich um ein ehem. Vorranggebiet für Natur und Landschaft.
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Das in der Nähe befindliche Feuchtgebiet wird durch den Wasserentzug (großflächige Oberflächenenversiegelung) gefährdet.
Frage 2:
Falls Sie die Frage 1 mit „ja“ beantworten: Wieso?
Es erfolgten keine Antworten.
Falls Sie die Frage 1 mit „nein“ beantworten: Was haben Sie bisher unternommen, um die Planungen zu stoppen?
Antwort Bündnis 90 / Die Grünen:
Wir haben in der Presse gegen die Deponie Stellung genommen, u.a. durch verschiedene Pressemitteilungen und auch Leserbriefe des Kreistagsabgeordneten Reinhard Bussenius (Bremervörde). Wir haben im Kreistag und bei öffentlichen Veranstaltungen durch Redebeiträge der Fraktionsvorsitzenden Elke Twesten (Scheeßel) und Reinhard Bussenius Stellung bezogen, der u.a. im Abfallausschuss dafür eingetreten ist, diese Pläne zu stoppen. Wir haben auch versucht, auf die Kreisverwaltung direkt Einfluss zu nehmen.
Antwort CDU / FDP:
Die Antwort erfolgte in Verbindung mit der Beantwortung von Frage 1.
Antwort SPD:
Im April dieses Jahres hat die SPD als erste Fraktion des Kreistages in einer Presseerklärung die erkennbaren Verfahrensfehler benannt und die unprofessionelle Planung kritisiert. Unmittelbar danach haben wir die Aufnahme des Themas auf die Tagesordnung des Kreisumweltausschusses am 11.05.11 und 28.06.11 und des Kreistages am 22.06.11 erwirkt. Hierzu haben wir einen ausführlichen Fragenkatalog erarbeitet und Anträge zur Einstellung der Planungen gestellt.
Antwort WFB:
Ich und die Vertreter der WFB haben bei Entscheidungen betreffend die Deponieplanung immer dagegen gestimmt.
Frage 3:
Ist die Ausschreibung (Deponieart, Form der Ausschreibung) der Fläche in Haaßel korrekt erfolgt?
Antwort Bündnis 90 / Die Grünen:
Die Ausschreibung ist u.E. nicht korrekt erfolgt. Es war die Rede von einer Bodendeponie, nicht von einer Bauschuttdeponie der Klasse 1.
Antwort CDU/FDP:
Es wurde durch einstimmigen (!) Beschluss des Kreistages ein Grundstück des Landkreises zur Einrichtung einer Boden- und Bauschuttdeponie verkauft. Vor dem Verkauf wurde es mehreren Unternehmen angeboten, um einen marktgerechten Preis zu erzielen. Das war rechtlich korrekt. Politisch gesehen hätte aus heutiger Sicht vor dem Verkauf und vor allem vor dem Zielabweichungsverfahren die Öffentlichkeit breiter informiert und einbezogen werden müssen.
Antwort SPD:
Auf unsere Anfrage hin wurde uns vom Landrat hierzu mitgeteilt, dass nur eine so genannte beschränkte Ausschreibung erforderlich gewesen wäre und dies rechtlich nicht zu beanstanden sei. Unseres Erachtens wäre eine öffentliche Ausschreibung bei einer derartigen Tragweite zwingend notwendig gewesen.
Antwort WFB:
Für die Ausschreibung sind mir keine Unterlagen bekannt geworden.
Frage 4:
Sind Sie für die Endlagerung von Bauschuttabfall der Klasse 1, der nicht aus unserem Landkreis stammt, in unserem Landkreis?
Antwort Bündnis 90 / Die Grünen:
Nein. Der Bauschutt aus dem Landkreis muss grundsätzlich auch im Landkreis gelagert werden – und grundsätzlich nur der aus dem Landkreis. Eine Kooperation z.B. mit dem Landkreis Stade ist äußerst problematisch. Dort fallen Stoffe z.B. aus dem AKW Stade oder von den Chemiewerken (DOW) an. Wir schlagen für den Bauschutt aus dem Landkreis zum einen ein weitgehendes Recycling vor und danach die Lagerung der vermutlich vergleichsweise kleinen Restmengen an alternativen Standorten, z.B. auf ohnehin belasteten Industrieflächen oder ehemaligen Flächen der Bundeswehr. In jedem Fall also eine neue Standortsuche. Im Übrigen muss vor allem der Frage nachgegangen werden, inwieweit die konzeptionellen Planungen auf eine Großdeponie für den gesamten Elbe-Weser-Raum hinauslaufen.
Antwort CDU / FDP:
Jeder Landkreis sollte in der Summe so viel Bauschutt einlagern wie bei ihm anfällt.
Antwort SPD:
Nein, nach dem jetzigen Kenntnisstand nicht. Um diese Frage abschließend beantworten zu können, müssten zunächst entsprechende Konzepte für Landkreis übergreifende Deponierungen erstellt werden. Hierzu bedürfte es umfangreicher Voruntersuchungen und Vorinformationen.
Antwort WFB:
Nein, ich bin dagegen, Müll zu importieren.
Frage 5:
Welche Kriterien für eine Standortauswahl für Deponien halten Sie für notwendig? Wie sollte die Standortauswahl im Landkreis Rotenburg (Wümme) zukünftig erfolgen?
Antwort Bündnis 90 / Die Grünen:
Keinesfalls sollte das in naturnahen Räumen wie in Haaßel und schon gar nicht auf oder in direkter Nähe zu Schutzgebieten erfolgen.
Antwort CDU / FDP:
Die seinerzeitige Suche nach einem Standort für eine Hausmülldeponie erfolgte nach den Kriteriengruppen Naturraum und Landschaft, Mensch und Siedlung, Immissionsituation, Wasserwirtschaft/Hydrologie und Abfallwirtschaft. Eine zentrale Rolle nimmt die Geologie ein. Zum Schutz des Grundwassers ist ein hohes geologisches Abdichtungspotenzial (Tone, Lehme) vorteilhaft. Diese fachlichen Kriterien sollten grundsätzlich auch in der Zukunft gelten.
Antwort SPD:
Wie bereits im Fachausschuss von uns beantragt, müssten folgende Punkte zunächst geklärt werden: Welchen Bedarf gibt es? Welche Art von Deponie ist notwendig – Bodendeponie oder Bauschuttdeponie Klasse 1? Soll die Deponie aus dem Landkreis oder Landkreis übergreifend beschickt werden? Und daraus sich ergebend: Wie stellt sich die verkehrliche Anbindung dar? Welche Flächengröße und welches Volumen wird benötigt? Wie groß ist das jährliche Aufkommen? Wie soll die Deponielaufzeit ausgelegt sein? Wer soll die Deponie betreiben (Landkreisregie oder private Betreiber)? Erst wenn diese Fragen geklärt sind, kann und muss ein Suchraumverfahren eingeleitet werden, für das dann die aktuellen gesetzlichen Vorgaben zu gelten hätten. In Haaßel erfolgte leider der umgekehrte Weg, es wurde mit der Standortfestlegung begonnen.
Antwort WFB:
Zunächst sollte der Bedarf ermittelt werden. Wenn er denn besteht und so grosse Mengen anfallen, dass es nicht wirtschaftlich ist, dafür eine Deponie mit höherer Klasse zu nutzen, dann sollte ein Standort nach folgenden Kriterien gewählt werden:
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Kurze Transportwege von der Müllentstehung zur Deponie.
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Geeignete Standorte sind solche, deren Qualität ohnehin schon beeinträchtigt sind, wie z.B. aufgelassene Gewerbegrundstücke.
Frage 6:
Sollten Vorranggebiete für Natur und Landschaft im Landkreis von gewerblichen Planungen zum Schutz der verbliebenen Naturräume grundsätzlich immer ausgeschlossen werden?
Antwort Bündnis 90 / Die Grünen:
Ja, in jedem Fall.
Antwort CDU / FDP:
Grundsätzlich auf jeden Fall. In Einzelfällen kann heute durch ein Raumordnungs- und Zielabweichungsverfahren davon abgewichen werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei sollte aber immer die Öffentlichkeit informiert und einbezogen werden.
Antwort SPD:
Ja. Diese Vorranggebiete entsprechen in ihrer Bedeutung Naturschutzgebieten und lediglich 2,3 % (!) der Landkreisfläche sind auf diese Weise geschützt. Das in Haaßel zur Anwendung gekommene Zielabweichungsverfahren darf nur in ganz besonders begründeten Ausnahmefällen eingesetzt werden. Zwingend erforderlich wäre eine breite Gremien- und Öffentlichkeitsbeteiligung. Keinesfalls darf dieses Instrument – wie hier geschehen – allein im Ermessen der Verwaltung bzw. einzelner Verwaltungsmitarbeiter liegen.
Antwort WFB:
Ja, sie sollten grundsätzlich ausgeschlossen werden.
Frage 7:
Halten Sie die Information der Öffentlichkeit lediglich über das Planfeststellungsverfahren für ausreichend? Wie und wann sollten Antragsteller und Verwaltung die Bürger informieren?
Antwort Bündnis 90 / Die Grünen:
Nein, das war hier nicht ausreichend. Diese Planung ist nicht einmal durch den Abfallausschuss gegangen, der für ein umfassendes Abfallbeseitigungskonzept zu beteiligen wäre. Selbst die Kreistagsabgeordneten fühlten sich „ausgetrickst“. So war es möglich, dass diese insgesamt nicht ausreichend „hingeguckt“ haben.
Die Information der Öffentlichkeit muss ehrlich und umfassend sein, die Bürger vor Ort müssen umfassend an derartigen Planungen beteiligt werden.
Antwort CDU / FDP:
Transparenz und frühzeitige Bürgerinformation sind von zentraler Bedeutung. Sowohl der Antragsteller als auch die Verwaltung sollten die politischen Gremien und die betroffenen Bürgerinnen und Bürger frühzeitig über Sinn und Zweck der Planungen informieren. Schon vor der Einreichung der Antragsunterlagen sollte eine öffentliche Informationsveranstaltung durchgeführt werden. Die dabei vorgetragenen berechtigten Anregungen und Bedenken sollten von vornherein berücksichtigt werden.
Antwort SPD:
Bei sensiblen Themen mit einer derartigen Bedeutung und Auswirkung ist es völlig unverständlich, dass die betroffene Öffentlichkeit erst mit dem kostenträchtigen Planfeststellungsverfahren beteiligt wurde. In anderen Bereichen, wie z. B. der Ausweisung von Natur- und Landschaftsschutzgebieten im Landkreis, ist eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung seit Jahren selbstverständlich.
Antwort WFB:
Ich fand die Informationen unzureichend, da ich selbst nicht rechtzeitig über den Umfang der Planung informiert wurde. Die Information sollte über das Abfallkonzept des Landkreises erfolgen. Dies ist dann öffentlich.
Frage 8:
Sollten Deponien von privaten Firmen oder von öffentlichen Trägern bewirtschaftet werden?
Antwort Bündnis 90 / Die Grünen:
Sie sollten grundsätzlich von öffentlichen Trägern bewirtschaftet werden, die nicht dem Gewinnstreben unterliegen.
Antwort CDU / FDP:
Deponien werden in jedem Fall von den staatlichen Gewerbeaufsichtsämtern überwacht. Es gibt gute Argumente für die öffentliche Bewirtschaftung wie in Rehr/Helvesiek. Eine private Bewirtschaftung wie in Hittfeld (Fa. Dörner) sollte aber nicht für alle Fälle ausgeschlossen werden.
Antwort SPD:
Die SPD – Fraktion sieht im Bereich der Abfallwirtschaft – und insbesondere einer möglichen Deponierung – vorrangig eine Bewirtschaftung in öffentlicher Trägerschaft. Gründe der besseren Kontrolle, der Sicherheit und der Einflussnahme sind hierfür ausschlaggebend.
Antwort WFB:
Beides ist möglich: Eigenbetrieb des Landkreises oder privater Betrieb unter dauerhafter Überwachung durch den Landkreis mit einer ausreichenden Sicherheitsleistung des Betreibers zur Gewährleistung einer langfristigen Nachsorge.
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