Leserbrief: Nach Atomausstieg nun ‚Ausstieg aus Naturschutz‘

Aufgrund der Art und Weise wie, insbesondere im letzten Jahr in Deutschland und auch in unserem Landkreis  „Politik“ gemacht wurde, möchte ich auf diesem Weg nun doch einmal Stellung beziehen.

Ich selbst arbeite für die Firma MT-Energie in Zeven und kenne mich daher mit Diskussionen und Entscheidungsfindungen von umstrittenen Bauvorhaben und Projekten recht  gut aus. Ich möchte zunächst exemplarisch anhand eines aktuellen Beispiels aus unserer Branche (Erneuerbare Energien) der Bundespolitik verdeutlichen, wo wir unser „Problem“ mit der Demokratie haben, um anschließend auf die demokratischen Prozesse in unserem Landkreis einzugehen.

Energiewende, Revolution – große Wörter. Diese schreibt sich derzeit unsere Regierung in Berlin nach den schrecklichen Ereignissen in Japan und den danach schnell  umgesetzten Gesetzen zum Ausbau der Erneuerbaren Energien auf die Fahne. Wie ist es zu diesem Sinneswandel gekommen? Ehrliche Überzeugung oder gar eine echte demokratische Entscheidungsfindung von der „Basis“ (damit sind wohl die Bürger / Wählerstimmen gemeint). Weit gefehlt. Es ist die reine Angst um die Macht im Lande, da die Grünen als einzig glaubhafte Partei zu diesem Thema wahrgenommen werden und damit längst auch in den „bürgerlichen Wählerschichten“, wie es  im Parteijargon heißt, angekommen sind.

Unter dem politischen Druck den Atomausstieg nun doch schnell vollziehen zu müssen, hat die Bundesregierung in Abstimmung mit den großen Energieversorgungsunternehmen  im Eiltempo ein angepasstes Konzept der Erneuerbaren Energien zur Kompensation des Atomausstiegs beschlossen.  In diesem rasanten Prozess um ein „grünes“ Image  und Marktanteile gab es wohl ein „übergeordnetes Interesse“, ohne dass die kurzen Entscheidungswege nicht zu erklären wären.

Bezogen auf unsere kleineren politischen Einheiten ist es so,  dass in den Gemeinden, Samtgemeinden usw. oft noch das Thema im Vordergrund steht und das Parteibuch nicht ganz so entscheidend ist.  So werden auf lokaler Ebene oft die Entscheidungen unter Einbeziehung und im Sinne der Bevölkerung getroffen, so dass sich die meisten Bürger ganz gut vertreten fühlen.

Am Beispiel der geplanten Deponie in Haaßel wird schnell klar, wann es mit der Bürgernähe und einem geordneten Entscheidungsprozess vorbei ist. Es besteht wohl auch hier ein übergeordnetes  wirtschaftliches Interesse, welches die Entscheidungswege so seltsam erscheinen lässt.

Die geplante Deponie würde unsere Region für kommende Generationen negativ prägen und  unvorhersehbare Umwelteinflüsse nach sich ziehen.  Das diese massive  Beeinflussung unserer Lebensqualität von einer regionalen Baufirma und „unserem“ Landkreis betrieben wird, ist mehr als schleierhaft.

 Der Landkreis ist der Befürworter und Entscheider in diesem Projekt, der nun, nach der Schaffung von Fakten sich der Verantwortung entziehen möchte.

Der Landkreis hat die „Verantwortung“ elegant an die Gewerbeaufsicht abgegeben und fühlt sich nicht mehr zuständig.  Die Aussagen und Stellungnahmen, die man der Presse entnimmt, wie „am liebsten ohne Deponie in Haaßel in die Zukunft gehen“ oder „die Entscheidungen liegen nicht in unserer Hand“  zur Deponie unserer „Vertreter“ aus dem Landkreis sind indiskutabel!

Das können und dürfen wir nicht akzeptieren.  Im Klartext: Der Landkreis ist für die geplante Deponie verantwortlich. Die Verträge zum Verkauf der notwendigen Flächen (zur Erinnerung: in einem Vorranggebiet für Naturschutz!)  wurden unter anderen Voraussetzungen (Umfang und Inhalt des Bauvorhabens) geschlossen.  Es wäre  für den Landkreis möglich, wenn er denn nur will, diesen „Fehler“ wieder zu bereinigen.

Darüber hinaus ist der Standort absolut ungeeignet und nicht umweltverträglich. Die Planungsgrundlagen (Grundwasser, Emissionen usw.) zum Genehmigungsverfahren sind allesamt fehlerhaft und „standortoptimiert“, um diesen politisch gewollten Standort zu legitimieren. Ich würde behaupten, dass jede Siloplatte im Landkreis mit härteren Maßstäben im Rahmen der Planung belegt wird. Was können wir noch bis zu Wahl am 11. September tun?

Zunächst einmal ein großes Lob an die Bürgerinitiative für die bisherige Arbeit. Der Landkreis und der Antragsteller hatten die Dimension des Protestes so nicht erwartet. Es stehen nicht „nur“ die Bürger und Wähler aus den Dörfern Haaßel, Anderlingen, Selsingen und den übrigen Gemeinden geschlossen hinter der Bürgerinitiative. Es sind auch Tausende aus den benachbarten Gebieten in Zeven, Heeslingen, Bremervörde usw., die die Deponie nicht wollen.  Die Wahl ist 1:1 mit dem Projekt in Verbindung zu bringen, um die entscheidenden Parteien und Politiker zu einer konkreten Handlung zu drängen.

Aus dem Südkreis haben wir keine Unterstützung zu erwarten und die Entscheidungen hier scheinen zementiert. Es ist an „unseren“ Entscheidungsträgern  auf Kreis- (insbesondere der CDU / FDP) und Samtgemeindeebene das drohende Übel vor unserer Haustür abzuwenden.  Es wäre noch vor der Wahl ein Beschluss zur  Rückabwicklung des Grundstücksverkaufs  zu fassen, ohne auf evtl. Entwicklungen beim Antragsteller bzw. bei der Gewerbeaussicht zu verweisen.

Die Bürger wollen vor der Wahl eine politische Entscheidung auf Kreisebene zu diesem Thema, um eine Entscheidungsgrundlage zu haben.  Nur wer sich klar, mit Taten statt Worten, gegen die Deponie positioniert, kann auf Wählerstimmen zählen. Das politische Engagement und der Wille vieler Bürger sich einzubringen, hat wieder immens zugenommen. Wir, Politik und Bürger gemeinsam, können hier und jetzt zeigen, dass unser Landkreis handlungsfähig und in der Lage ist, einen Fehler zu bereinigen. 

Torben Brunckhorst

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